Mythen halten sich hartnäckig. So ist es auch bei Irrtümern über Pferde und das Reiten.
Inhalte
- #1 – Die Zähne eines Pferdes wachsen ein Leben lang nach
- #2 – Bandagen schützen die sensiblen Pferdebeine
- #3 – Pferde brauchen im Winter eine Decke
- #4 – Zum Dressurreiten müssen die Steigbügel möglichst lang sein
- #5 – Teurere Reithelme sind besser wie günstige Modelle
- #6 – Die Lage des Knies und die englische Übersetzung
- #7 – Pferde haben eine grössere Lunge wie wir Menschen
- #8 – Reiten ohne Nasenband ist pferdeschonend
- #9 – Trockenes Brot eignet sich (nicht) für Pferde
- #10 – Die Pferdeherde wird von einem dominanten Hengst angeführt
#1 – Die Zähne eines Pferdes wachsen ein Leben lang nach
Ein weit verbreiteter Irrtum, denn Pferdezähne wachsen nicht lebenslänglich, sondern „nur“ bis zum Alter von ca. 8 Jahren. Danach stossen die Wurzeln jährlich 2-3 Millimeter nach. Übrigens: Wie wir Menschen haben auch Pferde Milchzähne. Der Zahnwechsel erstreckt sich über 2 Jahre. Die Schneide- und vorderen Backenzähne wechseln im Alter von 2.5 Jahren, als letztes wechseln die Eckzähne mit ca. 4.5 Jahren.
#2 – Bandagen schützen die sensiblen Pferdebeine
Bandagen sind in erster Linie für die Optik und bieten wenn, dann lediglich einen geringen Schutz vor äusseren Verletzungen. Mehr darüber im Beitrag Bandagen und Gamaschen – mehr Schaden als Nutzen?
#3 – Pferde brauchen im Winter eine Decke
Pferde haben eine ausgezeichnete Thermoregulation und benötigen bei natürlicher Haltung keinerlei Decken. Im Gegenteil: Das Eindecken bringt die Thermoregulation aus dem Gleichgewicht. Viele Pferdebesitzer schliessen von ihrem eigenen Kälteempfinden auf die Pferde. Fakt ist jedoch, dass die thermoneutrale Zone (= kleinster Energieumsatz) von Pferden erheblich tiefer liegt wie beim Mensch und sie daher viel weniger schnell frieren. Sinn machen kann eine Decke bei älteren, mageren oder kranken Pferden. Wenn du dein Pferd eindeckst, hast du dich bestimmt auch schon gefragt, welches nun die richtige Decke wäre. Antworten findest du in meinem Beitrag über Winterdecken inkl. Tabelle – welche Pferdedecke bei welcher Temperatur?
#4 – Zum Dressurreiten müssen die Steigbügel möglichst lang sein
Wir haben es alle im Kopf, das Bild des Dressurreiters mit den langen eleganten Beinen und dem polierten Stiefel mit hohem Bogen. Aber Achtung: Lange Steigbügel machen dich nicht automatisch zum Dressurreiter. Denn zu lange Steigbügel führen gleich wie zu kurze Bügel unweigerlich zu Sitzproblemen. Bei zu langen Bügeln, wird das Bein überstreckt, das Becken wird fest und oft gerät der Reiter dabei in den Spaltsitz (Oberkörper kippt nach vorne, Beine rutschen nach hinten). Alles über Steigbügel und wie man die richtige Steigbügellänge findet.
#5 – Teurere Reithelme sind besser wie günstige Modelle
Teuer ist nicht gleich sicher! Aldi verkaufte beispielsweise einen Helm für 15 Euro, welcher von der Stiftung Wartentest beim Reithelm Test 2005 mit der Note “gut” (besser wie der GPA Pikeur Titium für über 400 Euro) ausgezeichnet wurde. Beliebte Reithelme im Vergleich und worauf man beim Kauf eines Reithelms achten sollte.
#6 – Die Lage des Knies und die englische Übersetzung
Pferde sind Zehenspitzengänger. Was Laien oft als Knie vermuten, ist hinten das Sprunggelenk und vorne das Vorderfusswurzelgelenk (auch Karpalgelenk genannt). Umso verwirrender, dass man dem Vorderfusswurzelgelenk auf Englisch „knee“ sagt und das Kniegelenk mit „stifle“ übersetzt. Weitere Übersetzungen von Pferde- und Reitsportbegriffe in meinem Beitrag Pferdevokabular Deutsch-Englisch.
#7 – Pferde haben eine grössere Lunge wie wir Menschen
Die Pferdelunge ist riesig. Jedoch ist sie im Verhältnis zum Körpergewicht genau so gross wie beim Menschen. Wegen ihrem langen Gaumensegel können Pferde allerdings weder durch den Mund ein- noch ausatmen. Interessant ist zudem, dass die Atemfrequenz im Galopp synchron mit den Galoppsprüngen verläuft. Der Atemzug wird durch die Vor- und Rückwärtsbewegung der Eingeweide gesteuert. Wenn das Hinterbei abstösst und die Eingeweide nach hinten gedrückt werden, atmet das Pferd ein. Wenn es nach dem Galoppsprung wieder mit den Vorderbeinen auftritt, drücken die Eingeweide nach vorne gegen das Zwerchfell und das Pferd atmet aus. Ein Rennpferd das 130 Galoppsprünge pro Minute erreicht, macht dabei entsprechend 130 Atemzüge pro Minute. Eine Tabelle mit allen PAT-Werten findet ihr in meinem Beitrag zum Thema Stallapotheke inkl. Erste Hilfe-Checkliste und Sofortmassnahmen bei den häufigsten drei Notfällen.
#8 – Reiten ohne Nasenband ist pferdeschonend
Der Sperrriemen und das Nasenband werden teilweise regelrecht verteufelt. Leider gibt es auch immer wieder unschöne Bilder von Pferden, denen das Maul übertrieben zugeschnürt wurde. Dadurch wird die Atmung und auch das gewünschte Abkaufen sowie das Herunterschlucken des Speichels beeinträchtigt. Alles einfach wegzulassen, ist jedoch nicht zwingend schonender für das Pferd. Das Augenmerk sollte auf dem richtigen Mass liegen. So eine wissenschaftliche Studie ergeben, dass ein korrekt verschnallter Nasenriemen (zwei Finger-Regel) die angenehmste Variante ist für das Pferd.
#9 – Trockenes Brot eignet sich (nicht) für Pferde
Man möchte es nicht wegwerfen und die Pferde lieben es. Doch immer öfter heisst es, bitte kein Brot füttern. Wie schädlich ist Brot wirklich? Brot ist rohfaser-, mineralstoff- und vitaminarm, dafür ist es sehr energiereich und gut verdaulich. Zu grosse Mengen können zu Verdauungsstörungen und bis hin zu Hufrehe führen. Brot eignet sich daher nicht für leichtfuttrige oder an EMS leidende Pferde. Ansonsten ist gegen eine Fütterung in kleinen Mengen (z. B. als Belohnung) nichts einzuwenden. Immer vorausgesetzt, das Brot ist ganz trocken und nicht angeschimmelt.
#10 – Die Pferdeherde wird von einem dominanten Hengst angeführt
In der Natur leben Pferde in Familienverbänden von 3 bis 20 Tieren, die jahrelang zusammen bleiben. Die Herden bestehen in der Regel aus einem Hengst und seinen Stuten sowie Nachkommen. Angeführt wird die Herde von einer meist bereits älteren Stute. Die Leitstute ist selbstsicher sowie besonnen und verfügt über die nötige Erfahrung. Sie führt die Herde und trifft die Entscheidung zur Flucht. Der Hengst hingegen hat die Aufgabe, die Herde zu beschützen. Er hält die Herde von hinten zusammen und verteidigt sie wenn nötig gegen aussen.