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Was ist PSSM2/MIM?
PSSM1 und PSSM2/MIM sind genetisch bedingte Erkrankungen der Muskulatur bei Pferden.
PSSM steht für Polysaccharid-Speicher-Myopathie, was streng genommen nur für PSSM1 (mehr dazu ganz unten im Beitrag) zutrifft. Weitere Muskelerkrankungen mit ähnlicher Symptomatik wurden zu Beginn unter dem Namen PSSM2 zusammengefasst.
Die Varianten von PSSM2 sind jedoch keine Speichermyopathien, sondern Muskel-Integritäts-Myopathien (weshalb man heute von „MIM“ spricht), bei welchen die Funktion und/oder Struktur der Muskulatur geschädigt ist.
PSSM2-Symptome: Wie erkenne ich MIM?
Die Liste möglicher Symptome ist sehr lang und die Abgrenzung zu anderen Ursachen ist schwierig, was die Diagnose entsprechend erschwert.
Die ersten Symptome können bereits bei jungen Pferden auftreten und werden in der Regel deutlicher bei Pferden ab sieben Jahren oder bei erhöhtem Stress.
Zu möglichen Symptomen von PSSM2/MIM zählen:
- unerklärliche, wechselnde Lahmheiten
- Gangbilder wie „Bunny Hop“ (Hasengalopp) oder Seiltänzergang
- steifer Gang, ataktische Bewegungsmuster, Hahnentritt
- häufiges Muskelzittern und Verspannungen
- hohe Muskelspannung, oft verschlimmert durch Kälte
- Muskelabbau oder kaum Muskelaufbau trotz Training
- lokaler Muskelschwund, Dellen in der Muskulatur
- steife Hinterhand und feste Oberlinie
- Schwierigkeiten bei der Versammlung
- Wesensveränderungen
- plötzlich explosives Verhalten
- Berührungsempfindlichkeit
- Probleme beim Schmied die Hinterbeine hochzuhalten
- Sattelzwang
Wie kann man PSSM2/MIM-Pferden helfen?
Da es sich um einen Gendefekt handelt, ist PSSM2 nicht heilbar. Jedoch kann man betroffenen Pferden mit gutem Management – bestehend aus abgestimmter Fütterung, Training und Haltung – immens helfen.
Fütterung
- stärke- und zuckerarm, von Vorteil getreidefrei
- erhöhter Bedarf an Protein und essenziellen Aminosäuren
- muskelrelevante Nährstoffe wie Magnesium, Mangan, Vitamin E
- keine Luzerne (wird meist schlecht vertragen)
- beim Weidegras möglichst den Zuckergehalt im Auge behalten
St. Hippolyt hat in Zusammenarbeit mit der Tierärztin, Dressurreiterin und Züchterin Frau Christina Wessling eine eigene Produktereihe für PSSM2/MIM-Pferde entwickelt: WES-for-Horses.
- Mit magenprotektivem Sanddorn-Mazerat
- Frei von Zuckerzusatz und Getreide
- Beitrag zum Muskelaufbau
Das Mineralfutter „WES Bodyguard“ ist für einen gezielten Muskelaufbau bei Pferden mit Muskel- und Stoffwechselproblemen und kann je nach Energiebedarf mit WES Pellets oder Müsli ergänzt werden.
Für Pferde die kein Soja vertragen oder Magenprobleme haben, gibt es das „WES Sensitive Bodyguard“. Dieses enthält magenschützendes Sanddorn-Mazerat und ist ohne Soja.
Jedes Pferd ist individuell und es ist anfangs ein Ausprobieren, was dem eigenen Pferd am besten hilft. Viele BesitzerInnen von MIM-Pferden haben gute Erfahrungen gemacht mit einer deutlich erhöhten Proteinfütterung. Mögliche Proteinquellen neben Soja sind:
- Leinsamen/Leinkuchen
- Esparsettes
- Luzerne (wird jedoch auch nicht von allen vertragen)
- Hanf (kann Pferde etwas schläfrig machen)
- Reisprotein
Tipp: gesunde Leckerlis
Da die gängigen Futterbelohnungen zu viel Zucker (gilt auch für vermeintlich gesunde Äpfel) und/oder Stärke enthalten, sind diese für PSSM2/MIM-Pferde nicht geeignet. Wer seinem Pferd doch Leckerlis füttern möchte, findet bei Agrobs mit den Wiesen- und Wölbchen Bussi eine getreide- sowie melassefreie Variante.
Training bei Pferden mit PSSM2/MIM
Grundsätzlich gilt bei PSSM2/MIM-Pferden nichts anderes wie auch bei gesunden Pferden, nur sollte man ein noch grösseres Augenmerk auf folgende Punkte legen:
- ausreichendes Aufwärmen und Ausschritten (gerne geführt)
- eine auf das Pferd und dessen Tagesform abgestimmte Trainingsintensität
- die Reitzeit sollte nicht zu lange sein
- immer wieder Pausen einbauen
- keine Stehtage
Wer mehr zum Thema Muskelaufbau und Trainingsplanung bei PSSM2/MIM-Pferden lesen möchte, dem empfehle ich das 2023 erschienene Buch „Pferdemuskeln managen“ von Kirsten Guthöhrlein.
Haltung
Pferde mit PSSM2/MIM sollten möglichst stressfrei und mit ausreichend moderater Bewegung gehalten werden. Routinen geben ihnen Sicherheit und da sie bei kühleren Temperaturen schnell empfindlich reagieren, hilft ein frühzeitiges Eindecken.
Wie kann man PSSM2/MIM nachweisen?
PSSM2/MIM kann mittels Gentest, in Europa durchgeführt von der Firma Generatio GmbH/CAG, nachgewiesen werden. Für die Analyse müssen Mähnen-/Schweifhaare inkl. Wurzel eingeschickt werden. Der Test kostet ca. 250 Euro und das Ergebnis erhält man in 10-15 Werktagen.
Bis jetzt ist der Test erst experimentell validiert und deshalb umstritten. Die klinische Validierung liegt noch nicht vor, da dafür eine ausserordentlich grosse Datengrundlage notwendig ist.
Erschwerend kommt dazu, dass Symptome je nach Genotyp, Alter und Management unterschiedlich stark auftreten – so können positiv getestete Pferde nahezu symptomfrei sein. Umgekehrt kann der Test bei einem symptomatischen Pferd auch negativ ausfallen. Schliesslich gibt es auch andere Ursachen für Muskelerkrankungen und möglicherweise sind noch nicht alle MIM-Varianten bekannt.
Welche PSSM2/MIM-Varianten gibt es?
Bis jetzt wurden sechs verschiedene Varianten identifiziert: P2, P3, P4, P8, Px und K1.
Die Varianten P2, P3 und P4 reduzieren die Stabilität der Z-Scheibe und führen dadurch zu in sich labilen Muskelzellen.
Bei P8 ist der oxidative Schutz der Muskelzellen vermindert, was sich ebenfalls in einer Instabilität zeigt.
Bei Px ist die Kalziumregulation beeinträchtigt, was die Übertragung von Nervenzellsignalen stört. Betroffene Pferde sind tendenziell nervös und schnell erregbar. Zudem schein Px die Symptome anderer Varianten zu verstärken.
Bei K1 ist das Kollagen VI, fasziales Gewebe um die Muskelfasern, betroffen. Dies zeigt sich in instabilen bzw. schwachen Muskeln.
Welche Rassen sind von PSSM2/MIM betroffen?
PSSM2 kann bei allen Pferderassen vorkommen. Bei Islandpferden wurden bis jetzt nur die Varianten P3, P8 und K1 nachgewiesen.
Genotypen der sechs MIM-Varianten
Die sechs bis jetzt bekannten Varianten werden im guten Fall gar nicht nachgewiesen, können mischerbig oder reinerbig auftreten.
Mischerbig (n/P*): In diesem Fall ist nur eine der beiden Kopien des Gens betroffen. Die Symptome fallen meist milder aus und treten erst später auf. Die Wahrscheinlichkeit, dass die MIM-Variante weitervererbt wird, liegt bei 50%.
Reinerbig (P*/P*): Das Pferd hat zwei mutierte Kopien der Variante und zeigt in der Regel schwerere Symptome als ein mischerbiges Pferd. Die betroffene Variante wird zu 100% an die Nachkommen weitergegeben. Das Risiko der Nachkommen hängt davon ab, welche und wie viele Varianten der Paarungspartner in sich trägt.
Wie stark ein MIM-Pferd beeinträchtigt ist, hängt jedoch nicht nur vom Genotyp ab, sondern auch von der Anzahl/Kombination verschiedener MIM-Varianten. Bei Pferden, die eine Kombination mehrerer MIM-Varianten tragen, treten Symptome ebenfalls oft bereits früher und stärker auf.
Soll mit PSSM2/MIM-Pferden gezüchtet werden?
Alle positiv getesteten Pferde aus der Zucht zu nehmen, würde den Genpool viel zu stark reduzieren. Jedoch ist es sinnvoll über allfällige Varianten Bescheid zu wissen, damit dies bei der Anpaarung berücksichtigt werden kann. Minimiert wird das Risiko, wenn nur mit mischerbigen Pferden gezüchtet wird und wenn der Paarungspartner idealerweise keine oder eine andere MIM-Variante trägt.
Was ist PSSM1?
PSSM1 (Polysaccharid-Speichermyopathie) ist eine Muskelerkrankung, bei welcher der Zuckerstoffwechsel gestört ist. Eine Mutation des GYS1-Gens führt dazu, dass zu viel Glykogen in den Muskelzellen abgelegt wird. Der Energieüberschuss kann jedoch nicht genutzt werden und schädigt die Muskeln. PSSM1 tritt vorwiegend bei stark bemuskelten Rassen (Quarter und andere Western-Pferderassen, Kaltblüter und schwere Warmblüter) auf. Die betroffenen Pferde bewegen sich oft nicht gerne und zeigen nach der Arbeit Kreuzverschlag-ähnliche Symptome: steifes Gangbild, starkes Schwitzen, Zittern und Koordinationsprobleme.
Auch PSSM1-Pferde profitieren von einer Haltung mit ausreichend moderater Bewegung sowie einer stärke- und zuckerarmen (< 10%) Fütterung.
Quellen: www.generatio.de, www.st-hippolyt.de, www.st-georg.de
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