Mit Bandagen und Gamaschen möchte man die sensiblen Pferdebeine schützen. Doch schadet man dem Pferd vielleicht mehr als man ihm hilft, wenn man das Tier so in Watte packt? Wie gut schützen Gamaschen die Pferdebeine wirklich? Und wie schneiden Bandagen im Test ab? Wofür sind Bandagen gut abgesehen von der Optik?
Gamaschen sollen Pferdebeine vor Schlag- und Trittverletzungen schützen. Es gibt auch Hersteller, welche damit werben, dass ihre Gamaschen die Sehnen und Bänder stützen.
Pferdebeine sind sehr empfindlich. Ab dem Vorderfusswurzelgelenk bestehen sie aus Knochen, Sehnen und Bänder. Ein Sehnen- oder Bänderschaden ist die Horrordiagnose für jeden Pferdebesitzer.
Bandagen
Richtig Banadagieren
Beim Banadagieren mit Bandagierkissen sollte man gut darauf achten, dass die Unterlage keine Falten bildet, um allfällige Druckstellen zu vermeiden. Die Bandagen müssen genug fest sitzen, damit sie nicht verrutschen. Jedoch dürfen Sie auf keinen Fall zu stramm angezogen werden, da sie sonst den Lymphfluss im Pferdebein beeinträchtigen.
Bandagen richtig anlegen:
- vom Beininnern nach vorne aussen wickeln, damit der Klett am Schluss gegen hinten zeigt
- unterhalb des Vorderfusswurzelgelenkes beginnend nach unten wickeln
- den Fesselkopf umschliessen und wieder nach oben wickeln
- der Zug sollte immer vorne auf dem Röhrbein und nicht hinten auf den Sehen und Bändern liegen
- den Klett möglichst aussen nach hinten zeigend verschliessen
Um Durchblutungsstörungen zu verhindern und damit sich das Bein nach der Beanspruchung wieder schnell regenerieren kann, sollte der Beinschutz nach dem Reiten oder Longieren sofort wieder abgenommen werden.
Bandagierunterlage
Bandagierunterlagen werden zusammen mit elastischen Bandagen, bei sehr empfindlichen oder verletzten Pferden verwendet. Die Unterlagen gibt es meist in zwei Grössen (für Vorder- und Hinterbeine). Die Unterlagen werden satt anliegend möglichst ohne Falten angebracht. Anschliessend wird darüber die Bandage angelegt. Besonders praktisch sind Unterlagen mit einem Klett, damit man die Bandagierkissen nicht mit der Hand fixieren muss. Bei Bandagen mit Fleece und Elast sind keine Unterlagen notwendig.
Gefährlicher Hitzestau
Wärme ist grundsätzlich nicht schlecht, denn sie fördert die Durchblutung. Kommt es jedoch zu sehr hohen Temperaturen und einem Hitzestau, kann dies gefährlich werden. Bei einer Humanstudie wurde nachgewiesen, dass die Leistungsfähigkeit der Sehnen mit zunehmender Erwärmung abnimmt. Im Sommer ist die Gefahr eines Hitzestaus und daraus entstehenden Langzeitschäden besonders gross.
Früher war es stark verbreitet Sport- und insbesondere Dressurpferden über Nacht Stallbandagen anzulegen. Im Rahmen einer Studie der tierärztlichen Hochschule in Hannover war bei den Versuchspferden bereits zehn Minuten nach dem Anbringen der Stallbandagen (wattierte Unterlage und darüber eine unelastische Bandage aus Wolle) auf den Röntgenbildern eine Unterbrechung des Lymphflusses sichtbar.
Achtung optische Täuschung: Bei Pferden mit angelaufenen Beinen, mögen die Beine nach dem Abnehmen der Bandagen auf den ersten Blick besser aussehen. Die Wirkung der Bandagen ist jedoch trügerisch. Bei einem Pferd, das zu angelaufenen Beinen neigt, führen Bandagen zu einer zusätzlichen Behinderung des bereits schlecht funktionierenden Lymphtransportes. Tierärzte gehen davon aus, dass das Lymphgefässsystem die Plasmaproteine wegen den Bandagen nicht mehr richtig abtransportieren kann und auf längere Zeit chronisch geschädigt wird. Beste Abhilfe für Pferde mit angelaufenen Beinen ist regelmässige Bewegung. Im Test besonders schlecht abgeschnitten haben Elastikbandagen. Diese behindern nicht nur den Lymphfluss, sondern komprimieren auch die Blutgefässe.
Mein Tipp: Reine Fleecebandagen
Im Gegensatz zu Elastikbandagen sind Fleecebandagen weniger elastisch, dadurch ist die Gefahr kleiner, dass sie zu fest angezogen werden. Die Bandagen gibt es neben weiss und schwarz in vielen verschiedenen bunten Farben.
Kompressionsstrumpf – Abhilfe bei dicken Beinen
Bei Pferden mit Lymphproblemen (bis hin zu Elephantitis) oder wenn das Pferd aus gesundheitlichen Gründen nicht ausreichend bewegt werden kann, helfen elastische Kompressionsstrümpfe. Der Kompressionsstrumpf der Firma DEBO hat im Test der tierärztlichen Hochschule Hannover gut abgeschnitten. Keines der Pferde zeigte bei Anwendung des DEBO-Strumpfes einen beeinträchtigen Lymphfluss.
Gamaschen
Während Bandagen gemäss medizinischen Erkenntnissen mehr schaden wie nützen, bieten Gamaschen noch eher einen mechanischen Schutz. Man sollte darauf achten, dass die Gamaschen gut passen und nicht scheuern. Zudem besteht auch bei Gamaschen die Gefahr eines Hitzestaus. Besonders schlecht schnitten in diesem Zusammenhang Neopren-Gamaschen ab, weil diese die Körperwärme gut isolieren. Einen Hitzestau kann man ein Stück weit durch atmungsaktive und thermoregulierende Materialien vermindern. Am wichtigsten ist allerdings auch bei Gamaschen, dass sie nicht stundenlang am Pferdebein bleiben, sondern nach dem Training direkt abgezogen und die Beine gekühlt werden. Fragwürdig ist daher auch der Gebrauch von Gamaschen auf der Weide. Pferde, die sich regelmässigen Weidegang gewohnt sind, werden ev. mit Glocken, aber ansonsten am besten ohne Beinschutz auf die Wiese gelassen.
Gamaschen gibt es in verschiedenen Ausführungen. Zum Springen oder für die Vielseitigkeit werden meist Modelle genutzt, die noch mehr Schutz bieten sollen.
Mein Tipp: HKM Gamaschen Breath
Die Gamaschen „Breath“ von HKM sind sehr leicht, atmungsaktiv und einfach zu reinigen. Ein absoluter Kauftipp! Ich habe sie für meine eher feine Warmblutstute in Grösse M für vorne und L für hinten. Die Gamaschen sind in den Farben schwarz, weiss und braun erhältlich.
Gamaschen zum Dressurreiten
Während die Pferde früher zum Dressurreiten praktisch ausschliesslich bandagiert wurden, verwenden heute viele Dressurreiter im täglichen Training Gamaschen, weil diese einfach pflegeleichter und schneller an- sowie ausgezogen sind. Am beliebtesten sind wohl Löffelgamaschen mit Fell. Ansonsten gibt es auch speziell für die Dressur entwickelte Gamaschen von Veredus sowie eine deutlich günstigere Alternative von HKM.
->Weshalb Gamaschen an Dressurturnieren nicht erlaubt sind.
Löffelgamaschen
Löffelgamaschen eignen sich zum Dressur- sowie Freizeitreiten und sind üblicherweise aus Neopren oder Leder. An der Innenseite haben sie eine löffelformige Verstärkung aus Kunststoff oder Leder, welche die Innenseite der Beine gegen ein allfälliges Streifen schützt. Zum Streifen kommt es besonders bei jungen, noch unausbalancierten Pferden oder solchen mit einem bodenengen Stand.
Gamaschen zum Springreiten
Beim Springreiten werden Gamaschen nicht nur im Training verwendet, sondern sind auch auf dem Turnier gestattet. Zum Springen werden in aller Regel Hartschalengamaschen verwendet.
Hartschalengamaschen
Bei Hartschalengamaschen bestehen aus einer Schale, welche das Bein von hinten umschliesst. Das Innenfutter besteht meist aus Neopren oder (Kunst-)Fell, die Kunststoffverstärkung bietet im Gegensatz zu Löffelgamaschen nicht nur innen sondern auch gegen hinten im Bereich der Beugesehnen und auf der Aussenseite Schutz. Bei Hartschalengamaschen ist besonders wichtig, dass die Grösse passt, da es sonst zu unangenehmen Druck- und Scheuerstellen kommt.
Neue Regelung betreffend Hinterbeingamaschen
Ab dem 1.1.2019 sind in der Schweiz an sämtlichen Springturnieren für die Hinterbeine keine Hartschalengemaschen, sondern lediglich Streichkappen mit unelastischem Klettverschluss erlaubt. Dabei darf die Schale am Fesselkopf innen max. 16 cm lang (a) und der Verschluss an der Aussenseite muss mind. 5 cm breit (b) sein. Zudem gilt ein Maximal-Gewicht von 500 g für sämtliche Ausrüstung (Gamaschen, Glocken, Fesselring) je Pferdebein. In Deutschland gilt die gleiche Regelung für Springpferde-, Freispring- und Eignungs-Leistungsprüfungen. Die FEI führt die neuen Vorschriften gestaffelt ein:
ab dem 01.01.2019 für FEI-Springprüfungen Kat. Pony, Children, Amateure und Senioren
ab dem 01.01.2020 für FEI-Springprüfungen Kat. Junioren, Junge Reiter und U-25
ab dem 01.01.2021 für FEI-Springprüfungen aller Kategorien
Link zum LPO-Ausrüstungskatalog der deutschen FN.
Medienmitteilung des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport.
Gamaschen zum Vielseitigkeitsreiten
Im Gegensatz zum Springen werden beim Vielseitigkeitsreiten meist geschlossene Gamaschen verwendet. Die „Dalmar“ von Horseware sind speziell für die Vielseitigkeit entwickelte Gamaschen aus einem sehr leichten und atmungsaktiven Material mit Schlagschutzelementen aus Carbonfasern.
Gamaschen zum Westernreiten
Beim Westernreiten werden üblicherweise Fesselkopfgamaschen verwendet.
Fesselkopfgamaschen
Fesselkopfgamaschen sind meist aus weicheren Materialien und haben eine Lasche, die unter dem Fesselkopf verläuft. Die Gamaschen sollen sie den Fesselkopf und Sehnenapparat schützen. Dies wird jedoch von den meisten Tierärzten angezweifelt. In einem Test von Cavallo konnte kein stützender Effekt nachgewiesen werden. Ob das Pferd Gamaschen trug oder nicht, machte keinen Unterschied. Sehr wohl einen Einfluss auf die Belastung der Sehnen und Bänder haben jedoch der Boden sowie der Beschlag.
Wenn es Gamaschen gibt mit einer stützenden Wirkung, dann wohl am ehesten die „VenTech Elite Boots“ von Professional’s Choice. Die Gamaschen kommen aus dem Westernsport, wo die Pferdebeine bei verschiedenen Manövern sehr stark beansprucht werden. Gemäss Herstellerangaben absorbieren die Gamaschen über 26 % der Energie beim Auffussen der Hufe. Das luftdurchlässige und schockabsorbierende Material ist sehr leicht, gewährleistet einen guten Rundumschutz und soll Überdehnungen des Fesselkopfes vorbeugen. Die Gamaschen von Professionals Choice gibt es in verschiedenen Farben und mit bunten Mustern.
Gamaschen richtig anziehen
Am besten setzt man die Gamaschen etwas höher am Bein an und steift dann langsam nach unten, bis sie gut am Fesselkopf sitzen.
Wie beim richtigen Anlegen von Bandagen gilt auch bei Gamaschen:
- der Zug sollte vorne auf dem Röhrbein und nicht hinten auf den Sehnen und Bändern liegen
- die Verschlüsse sollten aussen liegen und nach hinten zeigen*
- die Gamaschen müssen zwar gut halten, dürfen aber auf keinen Fall zu stramm angezogen werden
*Hinweis: Eine Ausnahme bilden Gamaschen mit doppeltem Klettverschluss. Hier nimmt man lieber in Kauf, dass der äussere Klett zwar schon aussen liegt, aber nicht nach hinten, sondern nach vorne zeigt. Denn „korrekt“ angezogen kommt der Zug der inneren, elastischen Lasche über die Sehen und Bänder statt über das Röhrbein.
Anders sieht es natürlich aus, wenn der zweite Klettverschluss von oben nach unten verläuft.
Wichtig: Egal welche Gamaschen man benutzt, mindestens die Innenseite muss zwingend nach jedem Gebrauch gereinigt werden. Sand und Haare kann man mit einer kleinen groben Bürste abbürsten. Stark verschmutzte Gamaschen, spült man am besten mit Wasser ab.
Verschiedene Verschlüsse: Neben der inzwischen riesigen Auswahl an verschiedenen Materialien gibt es auch ganz unterschiedliche Verschlüsse. Ich persönlich bevorzuge Klett, da dieser im Gegensatz zu Haken- oder Knopfverschlüssen individuell eingestellt werden kann. Achtung auch hier vor zu starkem Anziehen der elastischen Laschen!
Die richtige Grösse finden
Die Gamaschen müssen gut sitzen, damit es keine Scheuer- oder Druckstellen gibt. Wenn die Gamaschen den Fesselkopf gut umschliessen sollte zum Vorderfusswurzelgelenk noch ein Finger Platz haben, damit sich das Pferd ungestört bewegen kann.
Bei Pferden mit starken Überbeinen sollte man die Beine entweder bandagieren oder sehr gut mit Lammfell gefütterte Gamaschen verwenden.
Transportgamaschen
Transportgamaschen sind wattiert mit einem festen Aussenstoff und meist verstärkt im Hufbereich. Bei den Vorderbeinen reichen sie vom Huf bis zu oder über die Vorderfusswurzel-/Karpalgelenke. Bei den Hinterbeinen gehen sie oft über das Sprunggelenk.
Vorsicht beim ersten Anziehen! Pferde, die sich Transportgamaschen nicht gewohnt sind, können besonders an den Hinterbeinen irritiert reagieren. Meist sind die ersten Schritte staksig und mit hochgezogenen Beinen, manche kicken auch aus. Daher sollte man junge Pferde langsam daran gewöhnen. Am besten beginnt man zuerst mit einfachen Gamaschen, damit das Pferd lernt auch mit etwas an den Beinen ganz normal zu gehen.
Hufglocken/Springglocken
Hufglocken schützen die empfindlichen Kronränder und Ballen vor Trittverletzungen. Früher waren Glocken vor allem beim Spring- und Vielseitigkeitsreiten verbreitet. Heute sieht man auch viele Dressurpferde mit Hufglocken im Training. Glocken verhindern, dass sich das Pferd nicht selbst von hinten gegen das Vorderhuf tritt, einen Ballentritt holt oder das Eisen abzieht.
Die ersten Glocken waren aus geripptem Gummi. Heute sind die meisten Modelle aus Neopren oder (Kunst-)Leder. Der Verschluss ist jeweils aus Klett. Damit dieser gut hält, wählt man am besten Glocken mit extra breitem oder doppeltem Klettverschluss. Wenn die Glocken nicht gut sitzen, scheuert sich das Pferd die sensible Haut in der Fesselbeuge wund. Bei besonders empfindlichen Pferden helfen Glocken mit Fellrand (nicht geeignet für nasse Böden, da ein schmutziges Fell ebenfalls scheuert) oder Modelle mit eingearbeiteter Nocke, die ein Verrutschen verhindert. Wichtig ist, dass die Glocken regelmässig gesäubert und insbesondere vom Sand befreit werden.
Gute Hufglocken mit Fellrand und Kunstleder zu einem top Preis gibt es von BR.
Hinweis zur Grösse: Die meisten Hufglocken fallen eher klein aus. Ich habe für meine 1.70 m Warmblutstute mit nicht allzu grossen Hufen Grösse XL. Bestellt also im Zweifel lieber eine Nummer grösser.
Erfahrung mit Glocken aus Kunstleder: Mit der Zeit bilden sich Knicke, wo das Kunstleder nach längerem Gebrauch leider brüchig wird. Ich habe bereits verschiedene Marken ausprobiert und das Problem ist bei allen nach einer gewissen Zeit aufgetreten. Auch wenn das Pferd in die Glocke tritt, gibt es schnell Risse oder Schnitte und der Schutz ist nicht mehr vollständig gewährleistet.
Tipp: Da ich nicht ständig neue Glocken kaufen wollte, habe ich nach einer Alternative gesucht. Bessere Erfahrungen hab ich gemacht mit Glocken aus sehr reissfestem Aussenmaterial wie z. B. von Eskadron oder als günstigere Alternative von Riders Choice.
Super Idee: Die Hufglocken von Eskadron haben zusätzlich eine kleine Lasche, damit lässt sich der Klettverschluss ganz einfach öffnen.
Ballenschutz
Von der italienischen Marke Veredus gibt es einen anatomisch geformten Ballenschutz mit Extra-Verstärkung aus Carbon auf Höhe der Ballen. Die Schoner lassen sich einfach anziehen und passgenau einstellen. Die Ballenschoner sind für alle Disziplinen geeignet. Speziell zum Dressurreiten wird das Modell „Veredus Piaffe Shield“ verkauft. Gemäss dem Hersteller ist jedoch der einzige Unterschied, dass das Dressurmodell neben Schwarz auch in Weiss erhältlich ist. Die Masse und die technischen Details (Carbon-Schutz) sind identisch.
Zum Artikel über Back on Track Gamaschen, Bandagen und anderen Keramiktextilien
Quelle: https://www.pferderevue.at/