Was gibt es für Zügelhilfen nach der klassischen Reitlehre und was ist dabei zu beachten?
Ein Beitrag von Dagmar Ciolek, Administratorin der Facebook-Gruppe „Dressurpassion – Die Deutsche Reitlehre“ und Autorin des 2020 erschienenen Buches „135 Mythen der Reitlehre“.
Prinzipiell gehört die Reiterhand bewegungstechnisch zum Pferdemaul und sollte den Bewegungen des Pferdemaules immer sanft und stetig folgen. Genau das fällt aber den meisten Reitern lange noch sehr schwer und sie wirken nach anfänglicher Scheu später dann vor allem viel zu viel zurück mit der Hand, sprich sie ziehen und fummeln zu viel herum. Denn der Mensch ist ein handwerklich und optisch orientiertes Wesen und orientiert sich daher naturgemäß viel zu sehr an dem, was er sieht, und das sind nun einmal die vorderen 25 % des Pferdes und die wichtigeren 75 % lässt er gern außer acht oder im wahrsten Sinne des Wortes hinter sich. Er möchte das Pferd mit der Hand beizäumen, in Haltung bringen.
Um den Reiter dort herauszuholen, KANN es zeitweise sinnvoll sein, dem Reiter einen deutlicheren Kontakt seiner Ellenbogen zum Körper anzuweisen. Am besten nur im Trab, da hier die Nickbewegung des Pferdes am geringsten ist. Der Reiter legt hierzu die Oberarme locker an den Oberkörper aber mit sicherem Kontakt des Ellenbogens zu diesem und trägt die Hände aufrecht und sanft geschlossen vor sich her. Die Kontrolle über die Bewegungen der Hand geschieht dann über den gefühlten Kontakt am Oberkörper, später dann sogar unterbewusst. Diese Haltung ist eh die normale und richtige für den geschlossenen Reitersitz.
Bei der Gelegenheit kann man dann auch wunderbar mal die aus- oder durchhaltend genannte Zügelhilfe üben. Hierzu wird die Hand etwas mehr geschlossen, um den Zügel etwas deutlicher festzuhalten und die Ellenbogen nehmen Stütze und Halt am Oberkörper des Reiters und der Reiter reitet mit den vorwärtstreibenden Hilfen gegen diese festgestellte Hand. Dies hat den Vorteil, dass der Reiter nicht zurückwirkt, wenn das Pferd nachgibt. Denn dies ist die charakteristische Wirkungsweise dieser Zügelhilfe, wenn gegen diese kurzzeitig! feststehende und festgestellte Hand geritten wird. Sie sollte aber nicht dazu führen, dass die Hand immer nur so starr agiert, dies sollte eben nur im Konzert der Hilfen bei der aus- oder durchhaltenden Hilfe der Fall sein.
Man kann diese Technik aber eben durchaus auch mal kurzzeitig zur Verdeutlichung einer ruhig getragenen, nicht rückwärts wirkenden Hand verwenden. Manche Ausbilder weisen sogar an, die Hände kurzzeitig rechts und links auf den Oberschenkeln abzustützen, damit die Reiter lernen, nicht ständig zurückzuziehen, aber mir ist die kurzzeitige! Fixierung über die Ellenbogen eine natürlichere Variante, zumal die Höhe der Hand so immer noch variiert werden kann und die Linie Maul-Zügel-Handrücken-Ellenbogen nicht unterbrochen werden muss.
Eine weitere gute Hilfe gegen das Rumfummeln ist das Reiten mit der Zügelbrücke.
Eine ruhig stehende eher noch etwas starr agierenden Hand ist allemal angenehmer für ein Pferd als eine rumfummelnde und ständig zurückwirkende und ziehende Hand!
Ziel ist die dem Maul des Pferdes ruhig folgende und vom Sitz des Reiters dann unabhängige Hand. Dies alles ist ein Lernprozess und muss ständig vom aufmerksamen Reitlehrer begleitet werden.
Annehmende oder durchhaltende Zügelhilfen sollten immer nur für Bruchteile von Sekunden oder bis zu maximal 1-2 Sekunden bei Korrekturpferden gegeben werden, damit sie nicht in ein Ziehen ausarten. Diese Hilfen werden immer aus einem geschlossenen Sitz mit anliegenden Oberarmen und einem Anspannen des Kreuzes und einem die Hinterhand unter Kontrolle haltenden Bein des Reiters gegeben.
Auf jede annehmende Zügelhilfe muss immer sofort eine nachgebende folgen! Dies ist besonders wichtig, wenn diese Hilfe durch ein Eindrehen der Hand erfolgt (entspricht einer sehr starken Einwirkung!), hierbei ist die Gefahr des zu langen Eindrehens und Verkrampfens der Hand mit besonders unangenehmer Wirkung auf das Pferdemaul besonders groß. Meist reicht auch völlig ein kurzzeitiges deutlicheres Schließen der Hand als annehmende Zügelhilfe.
Die wichtigste aller Zügelhilfen nach der klassischen Reitlehre ist aber immer die nachgebende!
In diesem Sinne immer fleissig weiterüben.
Dagmar Ciolek’s Buchtipp:
Wer mehr von Dagmar Ciolek lesen oder sich auch gerne selber aktiv an Diskussionen zur Ausbildung des Pferdes und Reiters nach der klassischen deutschen Reitlehre beteiligen möchte, dem empfehle ich die Facebook-Gruppe „Dressurpassion – Die Deutsche Reitlehre“.
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